Integration durch Sport mit J+S

1972 führt das neue Bundesgesetz über den Sport zur Einführung des J+S-Programms und zur Förderung des Sports, der nun in seiner Vielfalt offener für die Zivilbevölkerung ist. Jérôme Berthoud, Soziologe an der Universität Lausanne, und Daniel Welday, Trainer beim Verein Flag 21, geben uns einige Schlüssel zum Verständnis.

Sport ist dem Mythos nach ein «natürliches integratives» Instrument, dem unkritisch oder zumindest wenig kritisch zugestimmt wird. Dieser Integrationsmythos wird in der Sportwelt aus mindestens zwei Gründen aufgegriffen. Einerseits besteht eine mehr oder weniger vage Vorstellung von den Auswirkungen des Sports in der Gesellschaft. Nur der Sport scheint in der Lage zu sein, in den Vorstadtgebieten Frieden zu schaffen oder die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern. Andererseits wird diese vage Vorstellung selbst von den Akteuren und Akteurinnen im Sportbereich aufrechterhalten, die darin eine Möglichkeit sehen, den Glauben an die Tugenden des Sports bis hin zu Wettkämpfen auf höchstem Niveau zu stärken.

Beim früheren militärischen Vorunterricht, dem Vorläufer von Jugend+Sport, konnten nur Jungen mit Schweizer Staatsbürgerschaft im Rahmen ihrer Vorbereitung auf den Militärdienst staatliche Unterstützung erhalten. Mit dem Gesetz vom 17. März 1972 wurde die neue Sportförderung auf Mädchen ausgeweitet – eine erste Revolution –, aber auch auf Jugendliche, die nicht die Schweizer Staatsbürgerschaft besassen – eine zweite Revolution! Ab diesem Zeitpunkt kann also das J+S-Programm und im weiteren Sinne die Sportförderung als Instrument der Integration in der Schweiz betrachtet werden. Dies ist umso wichtiger in einem Land wie der Schweiz, in dem ein Drittel der Bevölkerung einen «Migrationshintergrund» hat, d. h., diese Personen sind selbst Migranten oder Kinder von Migranten.

Das bedeutet zunächst, dass Hunderttausende von Menschen in der Schweiz ausgebildet wurden. Menschen mit Schweizer Wurzeln, aber auch Menschen mit ausländischen Wurzeln, die sich in den Vereinen engagieren.

So profitieren mehrere Generationen von Zuwanderern – Italiener, Spanier, Kosovaren, Äthiopier etc. – von der Unterstützung des Sports, um am kollektiven Leben in ihren Gemeinden teilnehmen zu können. Allerdings kann die integrative Wirkung des Sports, die manchmal als mechanisch oder automatisch angesehen wird, missverstanden werden. Die Integration durch den Sport erfolgt bei Weitem nicht automatisch, sondern erfordert den aktiven Einsatz der Akteurinnen und Akteure, wie bei J+S, wo die «kulturelle Vielfalt» immer stärker gefördert wird, d. h. das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Sprache und Kultur. Neben den mehrsprachigen Kursen, an die sich die Ausbilderinnen und Ausbilder, die J+S-Kurse absolviert haben, wahrscheinlich noch erinnern, mit all den Verwechslungen und unzulänglichen Übersetzungen, werden verschiedene Instrumente gefördert, wie die Bereitstellung von Leitfäden zum Thema kulturelle Vielfalt, die Implementierung des Ethikkodex von Swiss Olympic oder die Einbindung externer Expertinnen und Experten aus Integrationsfachstellen (auf kantonaler oder kommunaler Ebene) oder Migrantenverbänden. Seit 2012 beauftragt das neue Sportgesetz den Bund sogar ausdrücklich damit, die positiven Werte des Sports in der Gesellschaft zu fördern, sich gegen Fehlentwicklungen im Sport zu wenden und Verhaltensweisen zu fördern, die als ethisch, fair und gerecht angesehen werden.