Das Gesetz von 1972
1972 wurden in den Schulen drei Lektionen Sportunterricht pro Woche sowohl für Jungen als auch für Mädchen eingeführt. In den Vereinen treffen sie seit 1972 auf Jugend+Sport, das Instrument des Bundes zur Förderung des Sports in der ganzen Schweiz. Grégory Quin, Historiker an der Universität Lausanne, entschlüsselt die Bedeutung des Gesetzes von 1972 für den Schweizer Sport.
In der Geschichte des Schweizer Sports spielt das Jahr 1972 eine besondere Rolle. Die Skifans erinnern sich vor allem an die Leistungen von Bernhard Russi, Roland Collombin oder Marie-Thérèse Nadig in Sapporo.
Diese Erfolge waren für die politischen und sportlichen Entscheidungsträger eine Art Revanche für das Debakel bei den Olympischen Spielen von 1964 in Innsbruck, als die Schweizer Delegation zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte ohne eine einzige Medaille zurückkehrte. 1972 ist auch das Jahr, in dem der Eishockeyclub La-Chaux-de-Fonds in der Nationalliga den Titel holte, ein Beweis für das Fortbestehen einer Form der Dezentralisierung in bestimmten Spitzensportarten. Ausserdem ist 1972 das Jahr der Gründung eines autonomen Leichtathletikverbands – Leichtathletik stand zuvor unter der Verantwortung des Schweizer Turnverbands. Vor allem aber erobern Frauen den Sport und sorgen für eine Entmilitarisierung, wobei in den ersten Monaten des Jahrzehnts mehr Frauen im Turnen aktiv sind als Männer.
1972 wurden in den Schulen drei Lektionen Sportunterricht pro Woche sowohl für Jungen als auch für Mädchen eingeführt.
Während die gesellschaftliche Bedeutung des Sports enorm zunahm, fehlte in der Politik eine geeignete Rechtsgrundlage, um den Sport zu unterstützen und zu fördern. So wurden im letzten Drittel der 1960er-Jahre die politischen Mechanismen in Gang gesetzt, die mit der Aufnahme der Sportförderung in die Bundesverfassung ihren Anfang nahmen. Diese Änderung wurde in der Volksabstimmung vom 27. September 1970 mit einer überwältigenden Mehrheit von 524 361 Stimmen gegenüber 178 282 Gegenstimmen angenommen. Unmittelbar nach dieser Abstimmung befasste sich das Parlament mit der Ausarbeitung der Grundlagen für ein Bundesgesetz zur Umsetzung des neuen Verfassungsartikels. Unter den zahlreichen Gründen stehen an erster Stelle die öffentliche Gesundheit, deren traditionelle Indikatoren bei der Aushebung vor der Einberufung zum Militärdienst erfasst werden, und somit folglich auch die militärische Verteidigung. Weitere Gründe sind die Erziehung, die sinnvolle Gestaltung der Freizeit und schliesslich die Platzierung und das ‚Standing‘ der Schweiz bei internationalen Sportwettbewerben. Mit dem Gesetz vom 17. März 1972 wird das Programm Jugend+Sport eingeführt, das die Kantone dazu verpflichtet, sowohl Jungen als auch Mädchen drei Sportunterrichtsstunden pro Woche zu erteilen und den ‚freiwilligen Schulsport‘ neben der Schule zu fördern, um damit eine Brücke zu den Sportvereinen zu schlagen und so alle zur Teilnahme am Sport zu ermutigen.
In den Vereinen treffen sie seit 1972 auf Jugend+Sport, das Instrument des Bundes zur Förderung des Sports in der ganzen Schweiz.
In einem Land, das an seinen föderalistischen Vorrechten festhielt und in dem die Einmischung der Bundesbehörden wenig geschätzt wurde, war das Gesetz von 1972 eine echte Revolution. Vor allem aber war es ein Instrument zur Unterstützung und Entwicklung des Breitensports. Dieses Gesetz mag seinen Ursprung im Misserfolg von Innsbruck haben, doch seinen Geist verdeutlicht dieser Auszug aus der Zeitung Jeunesse forte, peuple libre vom Juli 1966: ‚Der Champion – ein Idol, ein Produkt übermässiger Spezialisierung – ist kein Spiegelbild der Gesundheit eines Volkes.‘
Das Gesetz soll in erster Linie der gesamten Bevölkerung ermöglichen, Sport zu treiben, und somit Bewegung in die öffentliche Gesundheit bringen.
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